Seduzione al convento, quinta puntata. Le Manon francofone (prima parte): Germaine Féraldy, Fanny Heldy e Ninon Vallin

Le Grandi Manon Francesi

Was ist der französische Gesangs-Stil? Zuallererst steht und fällt er mit der Sprache und ist untrennbar damit verbunden. Beherrscht man sie mehr als nur idiomatisch und hat man darüber hinaus auch das nötige Verständnis und Gefühl dafür, hat man im französischen Repertoire – grob gesprochen – bereits halb gewonnen. Nicht umsonst empfindet man viele Sänger, die sich im französischen Fach mit der Sprache und deren Finessen plagen, als schwerfällige Elefanten im Porzellanladen, wenn man im direkten Vergleich dazu einen duftigen und eleganten Franzosen oder Belgier hört. Ohne Übertreibung kann man behaupten, dass die französischen Sänger ein geradezu erotisches Verhältnis zu ihrer Sprache zu haben: sie baden sich in ihrem Klang, sie liebkosen die Worte, sie schmecken sie ab und dosieren und würzen sie wie es ein exquisiter Koch tut.

Abgesehen von der sprachlichen Komponente sind weitere wichtige Zutaten Eleganz, Klarheit, Nuance, quicksilbrige Leichtigkeit, rhythmisches Timing und Raffinement. Die Stimmen der französischen Schule sind (oder wohl besser waren) in allen Stimmlagen typischerweise fast ausnahmslos helle, schlanke, wenig timbrierte Stimmen, die sich nicht unbedingt durch üppigen Farben auszeichneten. – Eher zartes Aquarell als imposante Ölmalerei. Mehr Champagner als Portwein. Dafür verfügten sie über die notwendige Wendigkeit und Spontaneität und legten das ganze Gewicht in die Kunst der Phrasierung – ins Detail. Wie der Klang der Sprache sind die französischen Stimmen meist sehr weit vorne platziert, oft ein wenig nasal, aber auf diese Weise in der Lage eine ungemein klare und plastische Wortdeutlichkeit zu gewähren. Viele Sänger – ein gutes Beispiel ist der große Vanni Marcoux – machten mit nicht einmal durchschnittlichem Stimm-Material eine große Karriere, weil er ein überragender Interpret und Darsteller war.

„A Baby born in a stable is not a horse.“, stellte der englische Kritiker, Michael Scott, im Bezug auf Gesangsstil einmal fest und wies darauf hin, dass die Eignung für einen bestimmten Gesangsstil nicht unbedingt abhängig von der Nationalität des Sängers sein muß. Ausnahmen gab es, vor allem unter den russischen Sängern, zum Teil bei den Spaniern, immer wieder: Gedda, oder wie hier der geborene Ukrainer Rogatchevsky oder der Spanier Villabella.

Nun – bleiben wir bei den Franzosen: Im Gegensatz zu unseren beiden letzten Manons – Magda Olivero und Raina Kabaivanska – war die Manon eine zentrale Partie aller drei hier vorgestellten Sopranistinnen. Den Beginn macht Ninon Vallin in ihrer ersten, noch akustischen und auf zwei Seiten aufgenommenen Aufnahme der St. Sulpice Szene zusammen mit dem Tenor Jean Marny aus dem Jahr 1920.

 NINON VALLIN (1886-1961)

Ninon Vallin & Jean Marny rec. 1920

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Die Stimme der hier 34jährigen Vallin ist glasklar und fährt icher wie auf einer Schiene. Großartig. Sie ist eine der wenigen Sängerinnen, die Sentiment ohne Sentimentalität vermitteln kann – ohne Massenets Musik in Kitsch abgleiten zu lassen.

Marny, dessen Des Grieux eine seiner berühmtesten Rollen war, ist in der tieferen Mittellage stimmlich etwas blass, besitzt aber Élan und eine gewisse Ritterlichkeit.

Ninon Vallin & Miguel Villabella 1932/33

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Die zweite Aufnahme zeigt sie zwölf Jahre später und setzt bereits bei „Ces mures silencieux“ ein, das ein wenig pathetisch klingt. Wir hören ein prachtvoll gestaltetes „Pardonnez-moi, Dieu de toute puissance“. Sie ist hier in voller stimmlicher Blüte, fraulicher und reifer als die beiden anderen, aber keineswegs matronenhaft, sondern voll sinnlicher Authorität („regardez-moi“). Villabella ist ein prachtvoller und feuriger Des Grieux.

FANNY HELDY (1888-1973)

Fanny Heldy & Fernand Ansseau rec. 1929

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Heldy spielte 1923 mit Jean Marny als Des Grieux die erste Gesamtaufnahme der Oper ein (auf die hier zu Gunsten von Ansseau verzichtet wird). 1926 erregte ihre Manon mit Ansseau als Partner gehöriges Aufsehen an der Covent Garden Opera. Es war nicht gerade eine besonders schöne oder ausgeglichene Stimme. Klein dimensioniert, fast soubrettenhaft und zum Teil ein wenig spröde, wusste sie das Maximum aus ihren Anlagen herauszuholen und als Interpretin ihren Rollen ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Die Stimme ist stellenweise nicht immer ganz fest und sicher, wenn auch nicht schrill. Ihre Stärke sind weniger die großen musikalischen Bögen, sondern ihre vielfältige und nuancenreiche Ausdruckspalette als Interpretin, die immer aus der Musik schöpft und ohne außermusikalische Effekte auskommt. Ihr mag es an Féraldys blühender Höhe und Vallins sinnlicher Authorität fehlen – und doch ist ihre Interpretation ein Maßstab, weil sie noch sorgfältiger als die anderen beiden die Markierungen in der Partitur befolgt. Als sie ihren anfänglich willensstarken Des Grieux endlich erfolgreich betört hat, entfährt ihr ein wirkungsvolles und triumphierendes „Enfin!“

Der Des Grieux des Belgiers Fernand Ansseau ist stolz und willensstark ( „j´avais ecrit sur le sable“) mit einer vollen und schallenden Höhe.

GERMAINE FÉRALDY (1894-1946)

    

Germaine Feraldy & Joseph Rogatchevsky 1928/29  Gesamtaufnahme Elie Cohen

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Die Szene stammt aus der Gesamtaufnahme unter der Leitung von Elie Cohen und setzt ein bei „Toi! Vous!“ ein. Féraldys Sopran siecelt sich zwischen Heldy und Vallin an. Eine mädchenhafte und bezaubernde Manon. Ihre Geschicklichkeit als Interpretin, ihre charmante Erscheinung und ein instinktives Gespür für die Bühne ließe so manche Schauspielerin wohl vor Neid erblassen. Doch auch stimmlich hat sie einiges zu bieten: meisterhaft spinnt sie die Gesangslinie und verfügt über ein schönes legato. Sie singt ein herrliches „Hélas! Hélas! L´oiseau qui fuit“ und ihr „N´est-ce plus ma main“ ist das einer echten Manon-„tentatrice“. Völlig zu Recht reagiert Des Grieux/Rogatchevsky darauf mit einem entsetzten „Mon Dieu, soutenez-moi“. Geboren in der Ukraine, hat er im französischen Fach eine beachtliche Karriere gemacht. Hin und wieder klingt er leicht kehlig und neigt er in der Übergangslage (passaggio) zum Kicksen, (piccole stecche) ist aber ein völlig überzeugender Des Grieux.

Alle drei Sopranistinnen sind derart bezaubernd und souverän – und auch sehr ähnlich was den Rollenzugang und die Interpretation betrifft – dass man sich hier unendlich schwer tut, eine besonders hervor zu heben: Vallin ist als Sängerin eine Klasse für sich, hat aber nicht ganz den verführerischen Zauber von Féraldy oder Heldy, die wiederum beide für die Rolle ein wenig leicht klingen, aber stimmliche Mankos mit einem unglaublichen Charme ausgleichen. Auch unter Berücksichtigung ihrer Tenor-Partner fällt die Wahl nicht um vieles leichter: mit der Ausnahme von Marny, der etwas blass bleibt, sind sowohl der stimmlich ein wenig gewichtigere Ansseau als auch die eher lyrischen Rogatchevsky und Villabella absolut überzeugend. – Ditemi voi…

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